Raketenangriff auf Polen: wird dies zu einer Anwendung des Artikels 5 führen, wie Präsident Zelensky hofft?
Der gestrige Vorfall eines Raketenangriffs auf der polnischen Seite der Grenze zur Ukraine, bei dem zwei Menschen gestorben sind, ist von den Russen als „Provokation“ angeprangert worden. Die Logik eines solchen Vorfalls wäre, dass Polen und seine NATO-Verbündeten Russland als den Schuldigen und als Verletzer der Integrität des NATO-Territoriums bezeichnen und Russland mit der Anwendung des Artikels 5 des NATO-Vertrags drohen könnten, was so gut wie eine Kriegserklärung wäre. Das war genau das, was wir von Präsident Zelensky in seinen ersten Stellungnahmen zu dem Vorfall gehört haben und er wurde von den kriegslüsternen Schakalen der baltischen Staaten sekundiert.
In Wahrheit scheint bisher die polnische Reaktion zurückhaltend zu sein. Der polnische Präsident Duda hat seine Landsleute aufgerufen, ruhig zu bleiben, solange eine entsprechende Untersuchung im Gang sei. Die polnischen Behörden haben nur mitgeteilt, dass die Bruchstücke der Raketen, die an den betreffenden Stellen gefunden wurden, zeigen, dass sie „aus russischer Produktion“ stammen. Dies sagt in sich noch nicht viel aus, weil beide Seiten des Konflikts Militärgerät nutzen, das in Russland hergestellt wurde. Inzwischen hat Joe Biden in dem weitentfernten Bali auf Journalistenfragen geantwortet, dass die Untersuchung der Flugbahnen der Raketen, die auf landwirtschaftlich genutzten Flächen auf der polnischen Seite der Grenze zur Ukraine eingeschlagen sind, es „unwahrscheinlich“ erscheinen lassen, dass sie von Russland aus abgeschossen worden seien. Natürlich haben die Journalisten die zwingenden Rückfragen nicht gestellt: Was sagt uns diese bekannte Flugbahn darüber, von wo diese Raketen denn tatsächlich abgeschossen worden sind? Und wer sie wahrscheinlich abgeschossen hat?
Heute Morgen spekuliert die Financial Times in einem Artikel darüber, dass die Raketen möglicherweise Teil des ukrainischen Luftabwehrsystems waren und abgeschossen wurden, um russische Marschflugkörper auf ihre Energie-Infrastruktur abzufangen, aber „vom Weg abgekommen“ sind. Bei dieser Berichterstattung machen sie sich aber auch nicht die Mühe zu fragen, ob die Fragmente wirklich zeigen, dass es sich um „Luftabwehr“-Projektile handelt oder um Boden-Boden-Raketen, was sich vermutlich anhand der vorhandenen, in den Fotos abgebildeten, großen Fragmente feststellen lassen würde.
All diese Ausflüchte und die Zögerlichkeit auf Seiten der amerikanischen und polnischen Behörden auf den Schuldigen für die Angriffe in Polen zu zeigen, stehen zu dem langjährigen Muster im amerikanischen und westlichen Verhalten im Gegensatz, das wir von den false flag incidents (Zwischenfälle unter falscher Flagge) kennen, die von Washington oder London geleitet wurden. In solchen Fällen, etwa bei dem Abschuss des Fluges MH17 oder bei dem angeblichen Einsatz von Chemiewaffen gegen die eigene Zivilbevölkerung, wurden Russland respektive das Regime von Bashar Assad in Syrien innerhalb von Minuten nach den Vorfällen beschuldigt.
Also frage ich nochmals, was ist gestern in Polen geschehen und wer trägt die Verantwortung? Um eine plausible Antwort zu finden, schlage ich vor, das altbewährte römische Grundprinzip für Ermittlungen anzuwenden und zu fragen cui bono, wessen Interessen dient das, was vorgefallen ist? Das ist ein einfacher, vernünftiger Ansatz, der in unserer gegenwärtigen Zeit des Informationskrieges in Vergessenheit geraten ist.
Cui bono verweist auf das Regime in Kiew als den Verantwortlichen für die Raketenangriffe auf Polen, dass das Ziel verfolgt, die NATO endlich bei dem Krieg gegen Russland offen auf seine Seite zu bringen. Polen ist noch nicht bereit zu einem Krieg gegen Russland und wird dazu erst in mehreren Monaten bereit sein, wenn es bedeutende Waffenlieferungen aus den Vereinigten Staaten erhält. Die USA wollen keine ungeplante Eskalation vom Stellvertreterkrieg hin zu einem direkten Krieg, der leicht zu einem russischen Nuklearschlag auf die USA selbst führen könnte. Es ist ausschließlich das Regime von Herrn Zelensky, das auf ein totales Chaos hoffen kann, um die Zerstörung des Kerns seiner Infrastruktur zu überleben, die jetzt endlich im Gang ist.
Natürlich müssen diese Überlegungen in Washington und in Brüssel von deren führendem Personal genau verstanden werden. Die kommenden Konsultationen über die Anwendung von Artikel 4 des NATO-Vertrages, bei denen es um die offizielle Feststellung geht, ob eine Bedrohung für die Unverletzlichkeit ihres Territoriums vorliegt, werden sich darum drehen, eine Formulierung für eine Schuldzuweisung für den Vorfall zu finden, bei der vermieden wird, unserem gegenwärtigen Sorgenkind, der Ukraine, die Schuld für einen Angriff auf ein NATO-Land zuzuweisen.
Translation into German from the English source text by Andreas Mylaeus