Translations below into German (Andreas Mylaeus) and French (Youri)
Die Rede von Chas Freeman “Der Nahe Osten ist wieder Westasien”
Als ich vor einem Dutzend Jahren meine “dritte Karriere” als öffentlicher Intellektueller begann, fand ich meine eigene Stimme, indem ich las und kritisierte, was die führenden Köpfe der US-Außenpolitik in ihren Büchern und in ihren Beiträgen für die Zeitschrift Foreign Affairs sagten, damals wie heute der “Industriestandard” mit der weltweit größten Zahl von Abonnenten für eine Publikation dieser Art.
An einem bestimmten Punkt wurde es mir zu langweilig, andere zu kritisieren, und ich ging dazu über, meine eigene Sicht der Dinge zu schreiben und zu veröffentlichen, insbesondere in Bezug auf Russland, wobei ich nur gelegentlich auf die Aussagen anderer Bezug nahm.
Heute ist einer dieser besonderen Anlässe. Sie ist umso seltener, als ich mit diesem Artikel zum einen meiner Leserschaft einen ausgezeichneten Überblick über den Nahen Osten von einem der erfahrensten und kompetentesten ehemaligen Botschafter Amerikas in der Region vermitteln möchte und zum anderen zeigen möchte, wie eine andere Perspektive, die aus einem anderen analytischen Instrumentarium stammt, die ansonsten meisterhafte Leistung von Botschafter Chas Freeman ergänzen kann.
Die Rede von Botschafter Freeman finden Sie hier sowohl als Text als auch als Video:
Gastgeber für seine Rede war das Middle East Forum, eine 2006 in Falmouth, Massachusetts, gegründete Organisation. Derzeit werden Vorträge von Experten aus der Region per Zoom an ein Publikum übertragen, das hauptsächlich aus Akademikern und US-Diplomaten besteht. Ihre Website finden Sie hier: https://www.meff.world/
Botschafter Freemans Vortrag ist “meisterhaft”, weil er sich auf eine profunde Kenntnis der einzelnen Länder der Region stützt. Sein Verständnis der arabischen Sprache und Kultur, seine Beherrschung der Geschichte der einzelnen Länder und ihrer Interaktion sowohl untereinander als auch mit der Außenwelt über Jahrhunderte hinweg verorten Freeman fest in der realistischen Schule der internationalen Angelegenheiten. Aus dieser Perspektive tadelt er die US-Diplomatie für ihre Stumpfsinnigkeit und scheinbare Unfähigkeit, sich mit den Interessen anderer Länder im Nahen Osten auseinanderzusetzen.
Wie wir wissen, wird die US-Diplomatie vom Denken der Wilsonianischen oder Idealistischen Schule beherrscht, die den Traditionen und Interessen anderer per definitionem wenig Beachtung schenkt, da sie davon ausgeht, dass universelle Regeln die menschlichen Beziehungen regeln und lokale Besonderheiten irrelevant sind. Die Politik der USA ist von übergreifenden ideologischen Erwägungen geprägt, die die Beziehungen zu anderen Ländern in einer vereinfachenden Dualität von “mit uns oder gegen uns”, “autoritär oder demokratisch” einordnen, die letztlich kontraproduktiv für ihre Ziele ist.
Meine Hauptbemerkung zu Freemans Präsentation ist, dass er es versäumt hat, den wirtschaftlichen Triebkräften der gewaltigen Veränderungen in der geopolitischen Landschaft des Nahen Ostens, deren Zeuge wir jetzt sind, die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Der Botschafter konzentriert sich auf die Beziehungen zwischen Sponsoren und Protegés und auf die Unterstützung der sich herausbildenden Multipolarität durch die führenden Politiker der Region auf Kosten der Treue zu den Vereinigten Staaten als globaler und regionaler Hegemon.
Wie Freeman zu Recht feststellt, ist die globale Vormachtstellung der USA durch das “exorbitante Privileg” abgesichert, das sie durch den Dollar als Weltreservewährung genießen. Seine Erklärung für die fortschreitende “Entdollarisierung” steht jedoch nicht auf soliden Beinen. Die Schaffung des “Petrodollars” im Jahr 1973 als Gesamtlösung für den Dollar, der nach seiner Abkopplung vom Gold zu einer Fiat-Währung wurde, beruhte auf der damaligen Realität, dass die Vereinigten Staaten der größte Importeur von Öl aus den Golfstaaten waren. Der Beginn der Selbstversorgung der USA mit Kohlenwasserstoffen vor zwei Jahrzehnten dank der Fracking-Revolution und die derzeitige Position des Landes als Nettoexporteur bedeutet jedoch, dass die Vereinigten Staaten heute auf den Weltmärkten ein Konkurrent der Opec sind, während China zum größten Importeur von Kohlenwasserstoffen aus den Golfstaaten und insbesondere von saudischem Öl geworden ist.
Die Neuausrichtung der Golfstaaten auf ein ausgewogeneres Verhältnis zu Russland, China und anderen Weltmächten auf Kosten ihrer früheren völligen Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten hat genau diese Erklärung und Rechtfertigung. Mit einem Anteil von 10 % an den weltweiten Öl- und Gasexporten ist Russland für Saudi-Arabien ein wichtiger Partner bei der Verwaltung der Opec. Die Schlüsselrolle Chinas als Friedensstifter zwischen dem Iran und Saudi-Arabien war nicht nur durch Chinas Bestreben motiviert, eine größere Rolle auf der Weltbühne der Diplomatie zu spielen, wie Freemans Analyse nahelegt, sondern auch durch Chinas Bedürfnis, sicherzustellen, dass seine Öl- und Gaslieferanten im Nahen Osten es nicht zwingen, sich für eine Seite zu entscheiden und die andere nachtragende Partei als Lieferant zu verlieren.
Die Integration des Irans in die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und seine immer engeren Beziehungen zu Russland und China wurden in der Tat durch jahrelange grausame US-Sanktionen und die Beschlagnahmung seines Vermögens ausgelöst. Doch als der Iran den USA den Rücken kehrte, fand er in seinen neuen Partnern definitiv einen kompensierenden wirtschaftlichen Vorteil. Der Nord-Süd-Transportkorridor, den Freeman nur am Rande erwähnt, wird sowohl für den Iran als auch für Russland und Indien ein großer Segen sein. In der Zwischenzeit können künftige Kapitalinvestitionen der Saudis und anderer Golfstaaten in den Iran einen dramatisch positiven Einfluss auf die iranische Wirtschaft haben.
In einem anderen Bereich als dem des Dollars ist Saudi-Arabien als Beitrittskandidat zu den BRICS im Begriff einen wesentlichen Beitrag zur Multipolarität zu leisten. Saudi-Arabien bringt seine Unterstützung für die neue BRICS-Entwicklungsbank mit ein. Sein Beitrag zum Kapital der Bank wird eine wesentliche Garantie für deren Lebensfähigkeit sein, da die Währungsreserven des Gründungsmitglieds Russland durch die von den USA verhängten Sanktionen beeinträchtigt wurden.
Wir müssen abwägen zwischen den relativen Beiträgen, die politische Eliten und Führungspersönlichkeiten auf der Oberfläche des Meeres zu den internationalen Beziehungen leisten, und den tieferen wirtschaftlichen Strömungen, die den Kontext für das Handeln der Führungspersönlichkeiten bilden. Wir stehen vor der alten Frage, die Lew Tolstoi in Krieg und Frieden gestellt hat: Lenken Führer wie Mohammad bin Salman oder Wladimir Putin den Lauf der Geschichte oder bestimmen die zeitgenössischen Umstände, einschließlich des Willens der Völker, was die Führer tun können.
Discours de Chas Freeman « Le Moyen-Orient redevient l’Asie de l’Ouest »
Lorsque j’ai entamé ma « troisième carrière » d’intellectuel public il y a une douzaine d’années, j’ai trouvé ma propre voix en lisant et en critiquant ce que les leaders de la politique étrangère américaine disaient dans leurs livres et dans leurs contributions au magazine Foreign Affairs, qui était à l’époque comme aujourd’hui la « norme absolue » avec le plus grand nombre d’abonnés au monde pour une publication de ce type.
À un certain moment, critiquer les autres en tant qu’exercice est devenu un ennui récurrent et je suis passé à l’écriture et à la publication de mon propre « point de vue » sur l’actualité mondiale, en particulier en ce qui concerne la Russie, en ne faisant qu’occasionnellement référence à ce que disent les autres.
Aujourd’hui est l’une de ces occasions spéciales. C’est d’autant plus rare que mon double objectif est d’abord de promouvoir auprès de mes lecteurs une excellente vue d’ensemble du Moyen-Orient par l’un des anciens ambassadeurs américains les plus expérimentés et les plus influents dans la région et ensuite de montrer comment une autre perspective, issue de différents outils analytiques, peut compléter ce qui est par ailleurs une performance magistrale de l’ambassadeur Chas Freeman.
Le discours de l’ambassadeur Freeman est disponible ici en texte et en vidéo :
Les hôtes de son discours étaient le Middle East Forum, une organisation fondée en 2006 à Falmouth, dans le Massachusetts. Elle présente actuellement des conférences d’experts régionaux via Zoom à un public composé principalement d’universitaires et de diplomates américains. Leur site web est ici : https://www.meff.world/
L’exposé de l’ambassadeur Freeman est « magistral » parce qu’il repose sur une connaissance approfondie de chacun des pays de la région. Sa compréhension de la langue et de la culture arabes, sa maîtrise de l’histoire de chaque pays et de leur interaction à la fois entre eux et avec le monde extérieur au cours des siècles placent Freeman solidement dans l’école réaliste des affaires internationales. De ce point de vue, il critique la diplomatie américaine pour son aveuglement et son apparente incapacité à prendre en compte les intérêts des autres pays du Moyen-Orient.
Comme nous le savons, la diplomatie américaine est dominée par la pensée de l’école wilsonienne, ou idéaliste, qui, par définition, fait peu de cas des traditions et des intérêts d’autrui, car elle croit que des règles universelles régissent les relations humaines et que les particularités locales n’ont pas d’importance. La politique américaine est enlisée dans des préoccupations idéologiques globales, qui encadrent les relations avec d’autres pays dans une dualité simpliste « avec nous ou contre nous », « autoritaire ou démocratique », qui s’avère en fin de compte contre-productive pour les objectifs poursuivis.
Ma principale remarque sur la présentation de Freeman est qu’elle n’accorde pas l’attention nécessaire aux moteurs économiques des vastes changements dans le paysage géopolitique du Moyen-Orient auxquels nous assistons actuellement. L’ambassadeur se concentre sur les relations sponsor-protégé et sur le soutien apporté par les dirigeants de la région à la multipolarité émergente, au détriment de la fidélité aux États-Unis en tant qu’hégémon mondial et régional.
Comme le note à juste titre Freeman, la suprématie mondiale des États-Unis repose sur le « privilège exceptionnel » que leur confère le fait que le dollar soit la monnaie de réserve mondiale. Toutefois, son explication de la « dédollarisation » en cours ne repose pas sur des bases solides. La création du « pétrodollar » en 1973, en tant que solution globale pour éviter que le dollar ne devienne une monnaie fiduciaire après avoir été détaché de l’or, était fondée sur la réalité de l’époque, à savoir que les États-Unis étaient le plus grand importateur de pétrole du Golfe. Cependant, l’autosuffisance américaine en hydrocarbures depuis deux décennies grâce à la révolution du fracking et la position actuelle du pays en tant exportateur d’hydrocarbures font que les États-Unis sont désormais un concurrent de l’OPEP sur les marchés mondiaux, tandis que la Chine est devenue le plus grand importateur d’hydrocarbures du Golfe et en particulier de pétrole saoudien.
Le réalignement des États du Golfe vers une relation plus équilibrée avec la Russie, la Chine et d’autres puissances mondiales, au détriment de leur ancienne dépendance totale à l’égard des États-Unis, s’explique et se justifie précisément de cette manière. Représentant 10 % des exportations mondiales de pétrole et de gaz, la Russie est un partenaire essentiel de l’Arabie saoudite dans sa gestion de l’OPEP. Par ailleurs, le rôle clé de la Chine en tant que pacificateur entre l’Iran et l’Arabie saoudite n’est pas simplement motivé par l’ambition de la Chine de jouer un rôle plus important sur la scène diplomatique mondiale, comme le suggère l’analyse de Freeman, mais par la nécessité pour la Chine de s’assurer que ses fournisseurs de pétrole et de gaz au Moyen-Orient ne l’obligent pas à choisir un camp au détriment de l’autre partie, qui lui en voudrait en tant que fournisseur.
L’intégration de l’Iran dans l’Organisation de coopération de Shanghai et ses relations de plus en plus étroites avec la Russie et la Chine ont en effet été motivées par des années de cruelles sanctions américaines et de confiscation de ses avoirs. Mais une fois que l’Iran a tourné le dos aux États-Unis, il a définitivement trouvé un avantage économique compensatoire auprès de ses nouveaux partenaires. Le corridor de transport nord-sud, que Freeman mentionne en passant, sera une aubaine pour l’Iran ainsi que pour la Russie et l’Inde. D’autre part, les investissements de capitaux envisagés par l’Arabie saoudite et d’autres États du Golfe en Iran peuvent avoir un impact positif considérable sur l’économie iranienne.
Dans un domaine différent de celui du dollar, l’Arabie saoudite est sur le point d’apporter une contribution substantielle à la multipolarité par le biais de sa candidature à l’adhésion aux BRICS. L’Arabie saoudite apporte son soutien à la nouvelle banque de développement des BRICS. Sa contribution au capital de la banque sera une garantie essentielle de sa viabilité maintenant que les réserves de devises du membre fondateur, la Russie, ont été affectées par les sanctions imposées par les États-Unis.
Nous devons évaluer les contributions respectives apportées aux relations internationales par les élites politiques et les dirigeants qui se trouvent à la surface de la mer, par rapport aux courants économiques plus profonds qui fournissent le contexte des actions des dirigeants. Nous sommes confrontés à la vieille question posée par Lev Tolstoï dans Guerre et Paix : les dirigeants comme Mohammed ben Salmane ou Vladimir Poutine dirigent-ils le cours de l’histoire ou les circonstances contemporaines, y compris la volonté des peuples, déterminent-elles ce que les dirigeants peuvent faire ?