Manchmal laufen Fernsehinterviews gut ab und ich kann in den paar Minuten Sendezeit ein vorbereitetes Manuskript, das ich auf der Grundlage der zuvor vorgelegten Fragen erstellt hatte, ohne Unterbrechungen vortragen. In der Regel gehen meine Antworten weit über die Intentionen des Fragestellers hinaus. Ich strebe danach, einen Gesichtspunkt herauszustellen, von dem ich weiß, dass er von den Medien übersehen wird, gleich ob Mainstream- oder alternative Medien. Meine Medien-Mediatoren sehen dies dankenswerterweise als einen freundlichen Kompromiss an, der viele neue Zuschauer bringt.
Manchmal, so wie letzte Nacht, wird das Interview von Journalisten gehandhabt, die mit mir und unseren kleinen Kompromissen nicht vertraut sind, sodass meine geplante programmatische Stellungnahme nicht gesendet wird. Sei’s drum. In dem vorliegenden Fall nutze ich diesen Raum, um die fehlende Nachricht über die Nutzung von Drohnen durch die Russen im laufenden Feldzug in der Ukraine zu übermitteln.
Mein Fragesteller war insbesondere interessiert an meiner Sicht über die Rechtmäßigkeit des Einsatzes iranischer Drohnen durch Russland, die sie angesichts der bestehenden UN-Verbote gar nicht erwerben dürften. Darüber hinaus werden diese illegalen Geschäfte noch durch Berichte verschlimmert, dass sich iranisches technisches Personal auf der Krim aufhält, um den Russen dabei zu helfen, diese ihnen unbekannten Waffen zu beherrschen. Meine Antwort war und ist: die Frage der „Rechtmäßigkeit“ oder „Unrechtmäßigkeit“ ist irrelevant in der gegenwärtigen Situation eines schmutzigen Krieges, in dem die Vereinigten Staaten und seine NATO-Alliierten jede nur denkbare Grundregel für „Stellvertreterkriege“ verletzen und de facto Kriegsparteien sind, weil sie militärisches Führungspersonal entsenden, die die ukrainischen Bodentruppen führt und den ukrainischen Militäreinheiten zeitgenaue Geheimdienstinformationen übermitteln, ganz zu schweigen von der Lieferung ihrer modernsten tödlichen Waffen an eine Seite des Konflikts.
Unter diesen Umständen von „Verletzungen des Völkerrechts“ zu sprechen bedeutet eine Rückkehr zu der hölzernen Sprache von John Foster Dulles in seiner Zeit als Außenminister auf dem Höhepunkt des Ersten Kalten Krieges. Dieser Ansatz war damals schon unproduktiv und ist es auch heute. Wenn sich Staaten im Krieg befinden, und sei es auch nur in einem Stellvertreterkrieg, gilt nur das Gesetz „die Macht hat Recht“. Die Vereinigten Staaten haben ihre weltweite Hegemonie in den vergangenen dreißig Jahren genau auf dieser Grundlage aufrechterhalten und es ist keinerlei Grund ersichtlich, den Russen den Zugang zu dieser Vorgehensweise zu verweigern.
Ja, die Russen lügen, wenn sie leugnen, wie sie dies in den Vereinten Nationen während der vergangenen Woche getan haben, dass sie iranische Drohnen beschafft und auf dem Schlachtfeld eingesetzt haben. Ja, die Iraner lügen, wenn sie dasselbe sagen. Aber Notlügen wie diese sind Schlüsselelemente der Kunst der Diplomatie, ebenso wie der Gebrauch von Doppelmoral, wenn die Aktionen des Feindes bewertet und die eigene selbstgerechte Scheinheiligkeit herausgestellt werden. Diesbezüglich somit nichts Neues unter der Sonne.
Damit komme ich zu dem, was ich für die relevantere Frage halte: Warum verwenden die Russen diese Drohnen? Bedeutet dies, dass ihre eigenen Waffenlager sich geleert haben? Weist dies auf Defizite bei der Waffenproduktion des russischen militärisch-industriellen Komplexes hin? Dies sind die Unterstellungen der westlichen Medienkommentatoren, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, die Russen wegen der Verletzung des Völkerrechts wegen der Geschäfte mit dem Iran zu beschimpfen.
Ich denke, es gibt hier zwei operative Prinzipien auf der russischen Seite. Das erste ist, ihre am weitesten entwickelten Waffensysteme aufzusparen, wie etwa ihre Überschallraketen, die jedes Luftabwehrsystem überwinden können, aber naturgemäß hohe Herstellungskosten verursachen und die nur für die wertvollsten Ziele verwendet werden sollten. Zudem müssen diese tödlichsten Waffen im russischen Arsenal soweit wie möglich zurückgehalten werden, um sie gegen die NATO-Streitkräfte in Europa einsetzen zu können, falls der Krieg weiter eskalieren sollte.
Aus diesen Gründen haben die Russen in ihrer jüngsten Aktion zur Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur zur Stromversorgung ihre verletzbareren Hochpräzisionsraketen einschließlich insbesondere der Iskander und Kalibr eingesetzt. Wie wir in den letzten paar Tagen gesehen haben, hat das ukrainische Militär behauptet, 50% oder mehr dieser einfliegenden Raketen abgeschossen zu haben, abhängig von der Dichte der lokalen Luftabwehrsysteme. Gleichzeitig haben die Russen für die kleineren Ziele wie Untersysteme der Stromversorgung erfolgreich iranische Drohnen eingesetzt, die naturgemäß von den traditionellen Luftabwehrsystemen schwerer abzuschießen sind. Wenn die Russen noch größere und stärkere Drohnen aus dem Iran bekommen, die sie kürzlich bestellt haben, können wir annehmen, dass diese auch auf noch anspruchsvollere Ziele gerichtet sein werden. Die Kosten-Nutzen-Analyse spricht zu deren Gunsten.
Weil einige Leser die Relevanz dessen in Frage gestellt haben, was ich über die Bedeutung der russischen politischen Talk-Shows für die Entscheidungsfindung im Kreml gesagt habe, weise ich darauf hin, dass auf die Beschaffung von Drohnen und von Boden-Boden-Raketen aus Iran in der Sendung „Der Abend mit Vladimir Solovyov“ von vor etwa zwei Monaten hingewiesen wurde und dass ich darüber zeitnah berichtet hatte. Gesprächsteilnehmer in jener Sendung hatten auch empfohlen, Artilleriemunition, Raketen und weitere Ausrüstung aus Nordkorea zu beschaffen. Dieses Material ist für die Russen leicht nutzbar, weil es weitgehend aus Kopien dessen besteht, was die Russen und die Chinesen in der Vergangenheit produziert haben. Ich erwarte, dass die britische und die amerikanische Presse in dem kommenden Monat oder so den Vorwurf erheben wird, es seien nordkoreanische Waffen in der Ukraine aufgetaucht. Ja, dies verletzt das „Völkerrecht“. Ja und? Es ist offenkundig absurd zu erwarten, dass Länder, die unter drakonischen internationalen Sanktionen stehen, keinen Handel miteinander treiben werden, wenn dies ihrer eigenen Selbstverteidigung dient.
Am Schluss nehme ich noch zu dem russischen Ziel der Zerstörung der Energie-Infrastruktur der Ukraine Stellung. Unsere westliche Medienpropaganda sieht hier nur ein Motiv: die ukrainische Bevölkerung erfrieren zu lassen um so Rache zu nehmen für die russischen Rückschläge auf dem Schlachtfeld im Osten und im Süden des Landes. Ich leugne nicht, dass die Demoralisierung der ukrainischen Zivilbevölkerung ein Faktor bei den laufenden russischen Angriffen ist. Auch diesbezüglich verweise ich auf die Solovyov Talk-Shows, wo ich gehört habe, dass erwähnt wurde, dass sich die Härten, die sich im Winter entwickeln, weitere neun Millionen Ukrainer dazu bringen könnten, auszuwandern und sich nach Westeuropa auf den Weg zu machen, wo sie ja so sehr geliebt werden. Jeder Vergleich zukünftiger Kälte in den ukrainischen Städten mit den Zuständen während der Kämpfe um Stalingrad, die westliche Medien heraufbeschworen haben, um in unseren rechtschaffenen Bürgern Horrorvorstellungen hervorzurufen, sind Unsinn: die Ukrainer haben Autos, sie haben Zugang zu internationalen Reisebussen und Zügen und sie können ihre Sachen nehmen und gehen, wann immer sie wollen.
Abgesehen von dem Ziel, die ukrainische Zivilbevölkerung aus dem Kriegsschauplatz zu vertreiben und so dem russischen Militär mehr Freiraum für den Sturm auf Städte zu schaffen, hat der laufende Angriff auf das ukrainische Stromversorgungsnetz einen übergeordneten Zweck: die Logistikkette zu unterbrechen, die westliche Rüstungsgüter zu den ukrainischen Streitkräften im Osten und im Süden des Landes über das weitgehend elektrifizierte ukrainische Schienennetz bringen. Wenn dies unterbrochen ist und der regelmäßige Zufluss von Ausrüstung und Munition gestoppt ist, dann wird die ukrainische Kampfkraft lahmgelegt und der Krieg wird, endlich, mit einer bedingungslosen Kapitulation an die Russen enden.
Translation into German by Andreas Mylaeus
Sehr geehrter Herr Doctorow,
vielen Dank für die Bereitstellung Ihrer Texte in deutscher Sprache.
Eine bedingungslose Kapitulation der Ukraine wäre wünschenswert. Zuvor finden jedoch noch die Midtermwahlen in den USA statt, bei denen, den Umfrageergebnissen zufolge, die Demokraten chancenlos sind. Aktuell erleben wir in den Staaten des Westens einen Coup d’Etat von oben mit dem Ziel einer Aufhebung der Souveränität der Nationalstaaten und einer Versklavung der Mehrheit der Menschen. Rußland wehrt sich dagegen entschieden.
Ich gehe deshalb davon aus, daß vor den Midtermwahlen in den USA ein vom Westen organisiertes, sehr gravierendes Ereignis in der Ukraine stattfinden wird. Dies wird es dem Biden Regime gestatten, über eine Notstandsgesetzgebung die Wahlen nicht stattfinden zu lassen und endlich zur von der NATO erwünschten Kriegsteilnahme führen.
Ich hoffe, daß nicht Kontinentaleuropa zur Hauptzielscheibe des dann stattfindenden rußischen Gegenschlages wird, sondern die angelsächsische Welt.
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