Das beklagenswerte Niveau des intellektuellen Diskurses über den russisch-ukrainischen Krieg

STOPPt die PRESSEn! Der folgende Widerruf der beleidigenden Bemerkungen, die in der Kommentar-Sektion dieser Website gepostet worden war, ist soeben von Dr. Lieven gekommen:

Anatol Lieven

To:gdoctorow@yahoo.com

Fri, Nov 11 at 7:02 PM

Lieber Dr. Doctorow,

Ich habe erfahren, dass jemand in meinem Namen einen Kommentar mit einem beleidigenden Angriff auf etwas, das Sie geschrieben hatten, gepostet hat. Ich möchte Ihnen versichern, dass ich dies nicht geschrieben habe. Wenn Sie meine Ansichten und meine Schriften (und insbesondere meinen persönlichen Stil) kennen, werden Sie realisieren, wie unwahrscheinlich ist, dass ich so etwas getan haben könnte.

Ich habe das folgende auf twitter gepostet:

Anatol Lieven

@lieven_anatol

·

12m

Ich habe erfahren, dass jemand in meinem Namen einen beleidigenden Kommentar zu einem Artikel von Gilbert Doctorow gepostet hat. Ich habe dies nicht geschrieben und ich habe das Werk von Gilbert Doctorow tatsächlich noch nie online kommentiert. Dies war die Aktion eines Imposters.

ZITAT ENDE

Ich habe meinen heutigen Aufsatz jetzt dahingehend geändert, dass die Anmerkungen über Dr. Lieven gestrichen wurden mit Ausnahme des Zitats des beleidigenden Kommentars, der in seinem Namen auf meiner Website erschienen war. Das übergeordnete Thema bleibt unverändert: wir leben in einer Welt, in der es fast normal erscheint, dass solche skandalösen Meldungen versandt werden. Wir leben in einer Welt, in der rationaler Diskurs schwer bis unmöglich wird.

Die zweite Hälfte dieses Essays lasse ich unverändert, weil sie nichts von ihrer Relevanz verloren hat. Die oberflächlichen Gedanken meiner Tischgenossen über den russisch-ukrainischen Krieg stammen aus erster Hand. Hier keine Imposter.

Zwar habe ich diese Bemerkungen auf das Brainwashing durch unsere Mainstream-Medien zurückgeführt. Sie könnten aber auch auf einfache Eigennützigkeit zurückgeführt werden: der Krieg der Russen gegen die Ukraine beraubt meine Adeligen ihrer Annehmlichkeiten und daher muss Herr Putin auf der ganzen Linie an allem schuld sein.

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In den letzten Tagen habe ich an einem email-Dialog mit einigen Freunden und Kollegen aus dem Lager der alternativen Narrative über die Fragen zum russisch-ukrainischen Krieg teilgenommen. Die Frage, die ich gestellt hatte, bezog sich auf den Wert oder die Sinnlosigkeit einer öffentlichen Debatte mit Menschen, die gewöhnlich die Washington-Narrative teilen.

Im Verlauf der letzten neun Monate des intensiven Propaganda-Sperrfeuers des offiziellen Washington und seiner Lakaien in den wichtigen Medien in ganz Europa, wenn nicht in der ganzen Welt über den russisch-ukrainischen Krieg, hat sich der rechte Glaube an das Raster von „gut gegen böse“ in diesem Konflikt bei ansonsten aufgeklärten und hochgebildeten Menschen so verhärtet, dass es sich als undurchdringlich von neuen Fakten oder Gesichtspunkten erwiesen hat. Inzwischen hat das ganze Niveau des Diskurses einen Tiefpunkt erreicht. Beschimpfungen und heftige Angriffe ad hominem sind jetzt die Regel.

Ein Beispiel ist gestern Abend belgischer Zeit auf meinem Schreibtisch gelandet, als ich den Kommentar-Bereich meiner Website geöffnet und den letzten Eintrag gefunden habe.

Zitat:

Anatol Lieven

Mehr über die Kriegführung mit elektromagnetischen Impulsen

Ich bin überzeugt, Sie haben das Down-Syndrom.

Wenn die Russen diese Harry Potter Waffe haben, warum laden sie dann fast alle ihre Isander, die sie in ihrem Inventar haben, und schießen sie ab? Warum kaufen sie dann Raketen vom Iran?

Wer braucht schon Zauberwaffen, wenn man nützliche Idioten hat, die ein Publikum von Dutzenden von Menschen erreichen?

Zitat ENDE

Meinung Enttäuschung über den Fund von Lieven’s stinkendem Blumenstrauß auf meiner Website wurde noch verstärkt durch Eindrücke früher am Abend beim Abendessen bei meinem Gesellschaftsclub, den ich früher in meinen Berichten zu deren Festessen bei Gelegenheit des russischen Neujahrsfests erwähnt habe, zurückreichend in die Zeiten vor Covid. Die Mitglieder dieses seit 175 Jahren bestehenden Clubs, der die Bezeichnung „königlich“ trägt und ein Hort der francophonen Brüsseler Aristokratie und der intellektuellen Elite ist, haben mich beeindruckt als der russischen Kultur besonders freundlich gesinnt und offen für nonkonformistische Ansichten von Herrn Putins Russland. Immerhin wurde ich vor drei Jahren von dem Vorsitzenden von dessen Geopolitischer Gruppe, der gleichzeitig ein hochrangiger Mitarbeiter der Europäischen Kommission ist, eingeladen, dort über Putin & Co. zu sprechen.

Die Geopolitische Gruppe innerhalb unseres Cercle, die im Prinzip jetzt nötiger wäre als je, ist aufgelöst worden. Meine Tischgenossen an dem langen Esstisch, Mitglieder der Cinema Group, die ich auch besuche, erinnerten sich an meine damalige Rede und fragten, was ich von der heutigen Situation halte. Und dann ging es los, wie man so sagt.

Ihre Bemerkungen, wie furchtbar es sei, dass Grenzen mittels militärischer Gewalt verändert werden, dass ein Land eine anderes überfällt und ein weiteres zerstört etc., waren äußerst schockierend für mich. Mein Einwand bezüglich der von den Vereinigten Staaten und der NATO durchgeführten illegalen Invasionen und begangenen Gewalttaten im Irak, in Libyen, in Syrien, in Afghanistan in den letzten paar Jahrzehnten wurde als „Antwort mit einer Gegenfrage“ (und was ist mit…) „mit Links“ zurückgewiesen, weil er nichts mit den Verbrechen gegenüber der Ukraine zu tun habe. Meine Bemerkung, dass meine Gesprächspartner nicht das Geringste über die Ukraine wissen, nichts über seine Geographie, nichts über seine Geschichte, nichts über ihre ethnische Zusammensetzung, als das, was sie in ihrer Libre belgique oder Le Soir lesen, fiel auf taube Ohren. Sie wissen alles, was sie wissen möchten, und darin besteht die Tragödie.

Die einzige Rettung war, und ich sage das mit aller Dankbarkeit, dass es an dem Tisch keine Beleidigungen gab, kein Anzeichen von Respektlosigkeit. In dieser Hinsicht bleibt mein Club was er immer war – eine Oase der Toleranz in einer Zeit von bösartiger Zwietracht. Aber meine Tischgenossen können und werden nicht durch intellektuelle Überzeugungsarbeit umgestimmt werden. Wie uns die russische Volksweisheit sagt: ein Buckliger kann erst im Grab geradegebogen werden.

All dies bringt mich zu sehr persönlichen Fragen: Warum schreiben? Warum an Sendungen im iranischen, algerischen, belarussischen, türkischen oder russischen Fernsehen teilnehmen, in denen Nachrichten analysiert werden und die unter den wenigen sind, die in ihre Sendungen Wortführer der alternativen Narrative einladen? Ich habe mich mit dieser Frage gründlich beschäftigt und bin mit dieser Antwort zufrieden: den vielen intellektuellen, wissbegierigen und offenherzigen Menschen in Europa, in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt Trost spenden, die sich ansonsten von den eingebildeten Trägern der Mainstream-Narrative umgeben sehen. Jeden Tag stammen meine Leser meiner Website aus 50 und mehr Ländern. Das positive Feedback dieser Leser bestärkt mich regelmäßig darin, dass sich der Aufwand lohnt.

Translation from English source text into German by Andreas Mylaeus

One thought on “Das beklagenswerte Niveau des intellektuellen Diskurses über den russisch-ukrainischen Krieg

  1. Nun ja, wenn der Untermensch aufsteht, sich anschickt, dieser 400 Jahre währenden herrenmenschlichen Arroganz ein Ende zu bereiten, die schlimmsten Alpträume der Europäer wahr zu werden drohen (und man erstmals nichts Vernünftiges dagegen tun kann – noch nicht einmal Krieg führen) – dann werden die Reihen fest geschlossen, die Zugbrücken hoch gefahren und die Gräben geflutet …

    Und die Klügeren wissen sehr wohl, worauf der Wohlstand des Westens ruht, und die ganz schlauen ahnen zumindest, daß sie selbst ihren “grandiosen Sieg” von 1990 innerhalb von 30 Jahren in eine (voraussichtliche) Niederlage verwandelt haben – und das nicht zuletzt mittels einer Ideologie, die den ewigen Wirtschaftskrieg – sie nennen es “Wettbewerb” – zum unumstößlichen Dogma ihrer Ökonomik, zur Exitenzgrundlage von “Zivilisation” erklärt haben …

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